«Wäre es nicht schön, wir müssten keinen Lauf mehr organisieren?»

Seit 20 Jahren gibt es den Lauf gegen Rassismus. Dieses Jahr findet er zum 16. Mal statt. Der ehemalige Unia-Mitarbeiter Remo Schädler hat ihn über Jahre mitorganisiert. Ein Gespräch.

Du warst 12 Jahre im Organisationskomitee des Laufs gegen Rassismus. Was war deine Motivation?

Strukturellen und gesellschaftlichen Rassismus findet man in der Schweiz heute noch immer vor, ich würde sogar sagen, er hat sich über die Jahre verschärft. Dagegen wollte ich etwas tun. Zuerst tat ich das durch meine Teilnahme am Lauf gegen Rassismus. Mir war relativ schnell klar, dass ich einen Beitrag zu diesem Projekt leisten wollte, und so entschied ich mich, Teil des Organisationskomitees zu werden. Heute bin ich wieder normaler Teilnehmer. Ich laufe jeweils im Team Afrika.

Wie habt ihr euch organisiert und was waren deine Aufgaben im OK?

Am Anfang meiner Zeit im OK teilten wir die anfallenden Aufgaben jeweils an den Sitzungen auf. Mit der Zeit gab es dann eine gewisse Routine und folglich eine Spezialisierung. Wir führten spezifische Ressorts ein. Ich war für die Platzorganisation verantwortlich. Das beinhaltete die Koordination der verschiedenen Stände vor Ort sowie den Kontakt zum Restaurant auf der Bäckeranlage. Daneben gehörte der Materialtransport zu meinen Aufgaben. Beruflich bedingt war ich auch die Kontaktperson zur Unia.

Was will der Lauf gegen Rassismus? Was sind seine Ziele?

Es gibt zwei wichtige Elemente. Einerseits geht es darum, ein Zeichen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Tendenzen zu setzen. Der Anlass ist eine Plattform, diese Themen öffentlich zu machen und so dagegen anzukämpfen. Andererseits werden mit der Veranstaltung finanzielle Mittel für Organisationen generiert, die Menschen unterstützen, die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit betroffen sind. Die Läuferinnen und Läufer machen sich selbstständig auf die Suche nach Sponsor:innen, die entweder einen pauschalen Betrag oder einen Betrag pro gelaufene Runde einsetzen. Nicht zu vergessen sind die vielen Nebeneffekte des Laufes. So ist er auch ein Anlass, an dem sich viele Leute aus verschiedenen Organisationen und Parteien treffen und vernetzen. Viele Leute haben einfach ihren Spass am Lauf und wieder andere sehen ihn als sportliche Herausforderung.

Wie viele Läufer:innen nehmen teil?

Inzwischen sind es zwischen 250 und 300 Läufer:innen. Dazu kommen 20 bis 30 Teams, die jeweils aus maximal sechs Personen bestehen.

Wie hat eigentlich alles angefangen und wie hat sich der Lauf über die Jahre verändert?

Soweit ich weiss, entstand der Anlass aus Kreisen rund um die Sans-Papier Anlaufstelle Zürich (SPAZ) und den Gewerkschaften des GBKZ. Der Lauf wurde über die Jahre immer grösser und bedeutender. Er fand auch nicht schon immer in der Bäckeranlage statt, früher war der Platzspitz der Austragungsort. Heute strahlt der Lauf gegen Rassismus weit über den „linken Kuchen“ hinaus und erreicht mit seiner Botschaft auch die gesellschaftliche Mitte.

Wie habt ihr es geschafft, dass der Lauf über so viele Jahre bestand?

Das Thema Rassismus ist leider aktueller denn je und das erzeugt persönliches Engagement von Menschen, die etwas dagegen tun wollen. Es gab auch schon Jahre, in denen kein Lauf stattfand, aber er wurde mittlerweile zu einer Institution. Zudem ist das Organisationskomitee mit sehr guten und engagierten Leuten besetzt, die wiederum auf eine solide Basis vertrauen können.

Gibt es ein persönliches Highlight aus all den Läufen?

Eine Gruppe von Sans-Papiers läuft jedes Jahr mit Masken, um so auf ihre Situation als «nicht legalisierte» Menschen aufmerksam zu machen. Das ist ein starke Botschaft, die mich jedes Jahr wieder beeindruckt.

Wie sieht der Lauf gegen Rassismus in 20 Jahren aus?

Eigentlich wünsche ich mir, dass es die Veranstaltung gar nicht mehr braucht. Aber das ist wohl Wunschdenken und wir müssen uns wohl leider auch in 20 Jahren noch gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzen. Der Lauf wird wohl in einem ähnlichen oder noch erweiterten Rahmen stattfinden. Ich wünsche mir, dass er von breiten Schichten getragen wird und so klar wird, dass eine Mehrheit keinen Rassismus duldet. Der Lauf soll weiterhin  ein starkes und gesellschaftlich breit abgestütztes Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzen. Seit 1997 nutzen Läufer:innen und Sponsor:innen den Anlass, um zu sagen «Schluss damit! Wir dulden weder Rassismus im Alltag noch in der Politik.» Leider braucht es solche Anlässe. Wäre es nicht schön, wir müssten keinen Lauf mehr organisieren, weil es keine Diskriminierungen mehr gäbe? Das Gegenteil ist der Fall.