Hotel-Putzfrauen schlagen Alarm

Es reicht: Die Putzfrauen aus dem Marriott haben die Schnauze voll!

Der «Blick» berichtet am 9. Juli über die dreckigen Zustände und miesen Arbeitsbedingungen in der Hotelreinigung. Vier Putzfrauen, die Uniamitglieder sind und für die Marriott-Hotels gearbeitet haben, haben den Stein ins Rollen gebracht.

Der «Blick»artikel macht deutlich: Wir brauchen eine gemeinsame Kampagne für besser Arbeitsbedingungen in den Hotels. Du arbeitest auch im Hotel? Du willst mitmachen? Komm an unsere nächste Sitzung am Mittwoch, 11. Juli 2018 in Zürich. Melde dich an und sei dabei! Teile den Artikel auf Facebook!

«Blick» vom 9.7.2018, Konrad Staehlin (Autor)

ZÜRICH / RAPPERSWIL-JONA SG -  Die grossen Reinigungsfirmen wagen sich nicht mehr in die Hotels hinein. Grund: Zu viele Unsicherheiten fürs Geschäft. Stattdessen liefern sich die kleinen Firmen einen ruinösen Preiskampf. Opfer: die Putzfrauen, die sich kaum wehren können.

Dreckige Zustände in der Hotelreinigung. Im Zimmer: haufenweise Güsel wegräumen. Nachschauen, dass nicht in irgendeiner Ecke doch noch ein gebrauchtes Kondom rumliegt. Das Bett neu beziehen. Staubsaugen. Fensterputzen. Im Bad: das WC, die Dusche, den Boden, das Lavabo, den Spiegel putzen. Neue Zahnputzbecher und Hygieneartikel bereitstellen.

«Früher hatten wir für all das zu zweit 20 Minuten Zeit. Doch das hat sich geändert. Jetzt sind es nur noch 10», sagt Nora K.* (37). «Und die Chefs wollen, dass es noch schneller geht. Wir Hotelputzfrauen sind am Anschlag.»

65'000 Personen, vor allem Frauen, arbeiten in der Schweizer Reinigungsbranche, viele Tausend davon in der Hotellerie. Hier ist die Lage besonders prekär. BLICK hat mit vier jungen Frauen gesprochen, die alle bis vor wenigen Wochen in grossen Zürcher Hotels die Zimmer geputzt haben. Angestellt waren sie nicht bei den Hotels, sondern bei Subunternehmen.

«Nur auf den ersten Blick sauber»

Drei der Frauen waren bei der Firma Burkhard & Partner aus Rapperswil-Jona SG beschäftigt. Diese hat unter anderen die Putzmandate in Hotels der Marriott-Gruppe, des grössten Hotelkonzerns der Welt und auch in der Schweiz Marktführerin. Zwei der Angestellten bei Burkhard & Partner arbeiteten im Fünfsternehotel Renaissance hinter der Hardbrücke, fünf Gehminuten entfernt im Viersternehotel Sheraton eine weitere.

Nora K. war eine von ihnen. Eine andere, Jennifer S.* (33), sagt: «Weil wir so im Stress waren, konnten wir die Zimmer bloss so putzen, dass sie nur auf ersten Blick sauber wirken.»

Mila D.* (33) nennt Beispiele: «Manchmal mussten wir die Gläser mit dem gleichen Material reinigen, mit dem wir das Klo putzen.» Ein anderes Beispiel: «Wir mussten alles mit dem gleichen, aggressiven Reinigungsmittel putzen. Eigentlich sollte es nur im Bad angewendet und dann mit viel Wasser abgespült werden. Doch wir brauchen es auch bei den Möbeln und auf den Holzböden – nur können wir es dort nicht abspülen. Ich würde in diesen Zimmern nicht barfuss rumlaufen.»

Marriott packt die Sache an

Die Reinigungsfirma weist alle Vorwürfe zurück: «Wir sind überrascht und konsterniert über die unhaltbaren und falschen Vorwürfe», lässt sie über einen Anwalt ausrichten. Die Zeit für die Reinigung entspreche den branchenüblichen Standards. «Die Firma wird gut geführt. Das zeigt sich auch in den vielen langjährigen und zufriedenen Mitarbeitern.»

 Die betroffenen Hotels streiten die Vorwürfe dagegen nicht ab. Man gibt sich aber überrascht und beteuert, dass Sauberkeit oberste Priorität habe. «Wir werden mit dem betreffenden Subunternehmen zusammenarbeiten, um die aufgeworfenen Probleme zu verstehen, und ein angenehmes Arbeitsumfeld sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Subunternehmer zu gewährleisten», schreibt eine Sprecherin der Marriott-Gruppe.

Putzverband schlägt Alarm

Der Verband der Schweizer Reinigungsunternehmen Allpura hat das Problem dagegen schon länger erkannt und schlägt nun Alarm. Er wird diese Woche einen Leitfaden an all seine Mitglieder verschicken, der BLICK jetzt schon vorliegt. Darin steht, wie man sich im heiklen Geschäftsfeld Hotelreinigung zu verhalten hat und benennt die Probleme: «Die Auslastung der Reinigungskräfte ist selten konstant. Dies ergibt sich aus dem Geschäftsmodell von Hotels – die Buchungen sind nicht stabil, oft nur sehr kurzfristig planbar und schliesslich haben die Gäste eine grosse Freiheit, wann sie ihr Zimmer reinigen lassen.»

Zudem verliessen einige Gäste das Zimmer in einem Topzustand, andere liessen dagegen ein Schlachtfeld zurück. All dies mache das Ganze zu einem Geschäft, das für die Reinigungsfirmen im Vorfeld schwer zu kalkulieren sei. «Damit liegt das Gästerisiko beim Reinigungsunternehmen», heisst es im Rundschreiben.

Allpura-Geschäftsführerin Karin Funk sagt zu BLICK: «Die meisten grossen, professionell geführten Reinigungsunternehmen haben sich aus diesen Gründen schon länger aus der Hotelreinigung zurückgezogen.» Ein Beispiel: die Firma Vebego AG aus Dietikon ZH. 2011 machte der SRF-«Kassensturz» publik, dass die Firma nur Hungerlöhne von neun Franken pro Stunde zahlte. Jetzt schreibt eine Sprecherin auf Anfrage: «Die Hotelreinigung ist keine Segmentspezialisierung von Vebego.»

Jedes Jahr stirbt ein Zehntel

Zurück bleiben kleine Firmen, die mit dem harten Wettbewerb in der Hotelreinigung überfordert sind und untergehen, selbst wenn sie unzimperlich mit den Angestellten umgehen. Als Alexandra L.* (45) sich mit BLICK trifft, kritisiert sie ihre Ex-Arbeitgeberin, die Subunternehmung Fabulous Clean Company aus Cham ZG noch hart. Mittlerweile ist die Firma pleite. Kein Einzelfall: Pro Jahr gehen 300 der 3000 Putzfirmen in der Schweiz ein.

Die Gewerkschaft Unia nimmt statt der Reinigungsfirmen vor allem die Hotels in die Pflicht. Und damit auch stark die Branchenriesen wie die Marriott-Gruppe, die mit ihrem «Preisdruck» Standards setze. Die Hotels der Marriott streiten den Vorwurf ab, die Preise zu drücken. Anfragen bei Accor und Best Western, zwei anderen grossen Hotelketten, blieben unbeantwortet.

In einem neuen Report schreibt die Unia: «Das Geschäftsmodell vieler Reinigungsfirmen basiert auf einem Preiskampf, der nicht zu bewältigende, unrealistische Zeitvorgaben für die Zimmerreinigung und eine zu dünne Personaldecke zur Folge hat.» Stattdessen sollten die Hotels den Frauen bessere Arbeitsbedingungen garantieren, indem sie diese direkt anstellen.

 * Namen geändert